Vom Traum zum Trauma

Lange träumten Menschen in Europa davon, Rhein und Donau und damit Nordsee und Schwarzes Meer zu verbinden. Der sogenannte Karlsgraben (Fossa Carolina, 793 n. Chr.) aus der Zeit Karls des Großen markierte den ersten Versuch. Aber erst mehr als ein Jahrtausend danach wurde der Traum unter Bayerns König Ludwig I. Wirklichkeit. In nur zehnjähriger Bauzeit entstand zwischen 1836 und 1846 eine künstliche Wasserstraße von Kelheim an der Donau nach Bamberg am Main. Sie war mit 173 Kilometern Länge und 100 Schleusen eine großartige, bewundernswerte Leistung der Ingenieurskunst jener Zeit.

Stahlstich vom Kanalhafen Neumarkt von Alexander Marxx, 1845Bild vergrössern Der Hafen von Neumarkt, Stahlstich von Alexander Marx, 1845

Die mit dem Kanal verbundenen Erwartungen erfüllten sich indes nicht. Zu klein waren die Schiffe, die ihn befuhren, zu lange dauerten die Fahrten, zu schnell entwickelte sich zeitgleich die Konkurrenz der leistungsstärkeren Eisenbahnen. Nach einer kurzen wirtschaftlichen Blütezeit schrieb der Kanalbetrieb nur mehr rote Zahlen. Im Zweiten Weltkrieg wurde der alte Ludwig-Donau-Main-Kanal teilweise zerstört, 1950 aufgelassen und später an mehreren Stellen mit Straßen überbaut oder dafür unterbrochen.



Heute bilden die erhalten gebliebenen Strecken und Bauten ein industriegeschichtliches Ensemble ersten Ranges und stehen unter Denkmalschutz. Die aufwendige Pflege und Instandhaltung der zum Teil noch wasserführenden Kanalabschnitte sowie sämtlicher Bauwerke sind seit 1954 Aufgaben der Wasserwirtschaftsämter Kronach, Nürnberg, Regensburg, Ingolstadt und Landshut.

1992 verwirklichte man mit der Eröffnung des modernen Main-Donau-Kanals die Vision der Verbindung von Nordsee und Schwarzem Meer ein drittes Mal. Für Flussreisende, die auf ihm Bayern durchqueren und gemächlich Linz, Wien und Budapest oder dem Rhein und Amsterdam entgegengleiten, erfüllt sich damit ihr jeweils ureigener Traum.


Hörbeispiel

Zum Leben am Ludwig-Donau-Main-Kanal liegt eine Hörbeispiel mit nachgesprochenen Originaltexten vor. Darin erzählt Manfred Lehmeier geb. 1943, wie er den Kanal bis zu seinem 13. Lebensjahr als Abenteuerspielplatz erlebte.

Maß für Maß

Für eine topografisch so einschneidende Maßnahme wie den Bau einer künstlichen Wasserstraße braucht man umfassende Kenntnisse über die geografischen Gegebenheiten. Sie waren im 19. Jahrhundert nicht vorhanden, sondern mussten damals erst durch mühsame Vermessungsarbeit zusammengetragen werden. Das für den Kanal vorgesehene Gebiet wurde ab 1820 katastermäßig vermessen. 1853 war Bayern – mit einer 1801 einsetzenden Entwicklung – das erste exakt vermessene Land Europas. Begründet war dies natürlich nicht nur mit dem Wunsch nach einem Kanal: Neben den Absichten für eine militärische Nutzung erfasste man das Land insbesondere, um eine gerechtere Besteuerung des Grundbesitzes zu erreichen. Aber die neuen Steuerkataster-Blätter im Maßstab 1:5.000 ermöglichten eben auch die Planung des Kanalverlaufs.

Schritt für Schritt

Mit der Planung für einen Main und Donau verbindenden Kanal hatte der bayerische König Ludwig I. Oberbaurat Heinrich Freiherr von Pechmann beauftragt. Nachdem die topografische Erfassung des Geländes 1829 abgeschlossen worden war, erkundete Pechmann es in mehreren Reisen zu Fuß und zu Pferd. Für die Strecke von Neumarkt aus auf den Höhenzügen über das linke Ufer der Schwarzach fand Oberingenieur Pauli nach gemeinsamer Begehung der Strecke die beste Linie mit Hilfe der Nivelliermaschine. Dieser Kanalabschnitt erforderte aber den Bau vieler Durchstiche, Schleusen und zweier Brückkanäle. Als im März 1836 die Bauarbeiten beginnen sollten, waren die eingeschlagenen Pflöcke zur Markierung der zukünftigen Kanallinie weitgehend verschwunden. Deshalb mussten viele Vermessungen und Nivellements wiederholt werden.

Blick von der  Hofbachbrücke Richtung Westen in den Unterölsbacher EinschnittBild vergrössern Blick von der Hofbachbrücke Richtung Westen in den Unterölsbacher Einschnitt

Ein Kanal als Gesamtkunstwerk

Für die damalige Zeit war der Bau dieses Kanals nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch eine herausragende Leistung. Neben umfangreichen Vermessungsarbeiten und Bodenuntersuchungen wurde eine große Anzahl von Kunstbauten notwendig. Ihren Bau galt es zu koordinieren und in die gegebenen Topografien sorgfältig einzupassen.

Zu ihnen zählten Verkehrsbauten wie Straßen- und Eisenbahnbrücken oder Tunnels für die Kanalhaltung und Wasserzuführung, Brückkanäle, Sicherheitstore und Bachdurchlässe sowie für den Betrieb Kanalhäfen und Anländeplätze mit Lagerhallen, Schleusen und Schleusenwärterhäuser. Neben den allgemeinen Nützlichkeitserwägungen verwies Pechmann dabei auf die Möglichkeit, mit diesen Maßnahmen auch die regionale Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

Grundablass LoderbachBild vergrössern Grundablass Loderbach

Infosystem

Diese Informationen finden Sie seit Herbst 2016 auf einer Stele und einer Figurengruppe in der Stadt Neumarkt i.d.Opf. im Parc d'Issoire, wo die St.-Florianstraße den Ludwig-Donau-Main-Kanal kreuzt.